Projekt Flamenco
Nurflügel-Elektrosegler

Phase 1

Alles begann 1998 mit einem Baukasten vom Robbe-Geier, den ich als E-Version billig angeboten bekam. Nach Begutachtung der Teile und des Plans war schnell klar, das hier einige Veränderungen wünschenswert sind. Die Fläche wurde aus Transportgründen teilbar gemacht. Die Seitenleitwerksflächen in der Tragfläche wanderten an die Flächenenden und fungieren dort als abnehmbare Winglets. Die Fläche selbst wurden voll beplankt. Auf die paar Gramm Mehrgewicht kam es jetzt auch nicht mehr an. Die Servos kamen in die Fläche und lenken die Endleistenruder direkt von oben an. Der steineschwere Rumpf und der uralte Druckantrieb wurden nicht verwendet. Statt dessen baute ich einen Rumpf aus Balsa mit normalen Zugantrieb, der zwischen die Flächenhälften gesteckt wurde. Als Antrieb wollte ich es zunächst mit einem 480er-Motor im Direktantrieb versuchen. Ein 400er-Motor, selbst mit Getriebe, erschien mir zu schwach, da das Abfluggewicht deutlich über 1 kg liegen würde.

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Erste Version

So ausgerüstet wurden die ersten Testflüge gewagt. So richtig Freude wollte nicht aufkommen. Der Antrieb zog eine Menge Strom, doch die Steigleistungen ließen zu wünschen übrig. Ebenso die Flugzeiten. Nach 1 bis 2 Minuten war der Flieger wieder am Boden. Der erste 480er-Motor hielt nur ein paar Starts durch. Ein teurer "Race" BB brachte keine Besserung der Steiggeschwindigkeit. Das Flugverhalten war schwammig und wackelig. Aufgrund des Flugbildes und der gelb-roten Folienbespannung taufte meine Frau das Teil kurzerhand auf "Flamenco", weil er mehr durch die Luft tänzelt, als gleitet. Außerdem hatte ich ständig mit dem Schwerpunkt zu kämpfen. Der Rumpf war etwas zu kurz kalkuliert. Motor und Akku brachten nicht genügend Gewicht nach vorne und ich hatte keine Lust, auch noch zusätzlich Blei anzubringen. Irgendwann im Landeanflug ging er dann blitzartig auf die Nase und schlug hart in die Wiese ein. Ergebnis: Rumpf in Trümmern, der Rest unbeschädigt. Ich war fast dankbar dafür! Jetzt musste ein neuer Rumpf her. Er wurde 2 cm länger, stabiler und leider auch etwas schwerer. Das Schwerpunktproblem war gelöst, das Antriebsproblem dauerte noch eine Weile. Nach Versuchen mit 400er-Motoren, 1:4 Getriebe und 8 bis 12 Zellen bin ich schließlich wieder beim 480er, aber mit 1:2,7 Getriebe, gelandet.

Steigleistung und Flugzeiten von 5 bis 10 Minuten konnte man jetzt gelten lassen. Das Handling war OK. So richtig Vertrauen kam aber nicht auf. Dafür hatte ich zuviel herumexperimentieren müssen.

Auf einem der letzten Testflüge vor dem 1. NF-Treffen 1999 passierte es dann: Ein Modellfliegerkollege meinte zu mir: "Stich' ihn doch einmal an, damit du siehst, ob der Schwerpunkt wirklich richtig liegt." Also stach ich an. Kaum hatte der Flügel etwas mehr Fahrt aufgenommen, da zerlegte er sich in der Luft. Die Teile segelten aus großer Höhe mehr oder weniger langsam zu Boden. Seitdem benutze ich keine Buchenstäbe mehr als Flächenverbinder! Statt dessen sind jetzt Kohlefaserrohre eingebaut. Die Begutachtung des Schadens ergab, dass nur die rechte Flächenhälfte vorne im Wurzelbereich geflickt werden musste. In Eile wurde ausgebessert und ein Testflug gemacht. Auf dem Bild kann man die reparierten Stellen gut erkennen. Ich konnte auf die Schnelle keine rote Folie besorgen. Also habe ich mit gelber ausgebessert. Dann ging es zum NF-Treffen.

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Zweite Version

Auf diesem Treffen folgte dann die Katastrophe. Beim Kurven am Hang hatte ich den Abstand zu der Hochspannungsleitung überschätzt. Der Flieger traf mit der hängenden rechten Fläche die Leitung. Der Draht rasierte durch die Fläche bis fast zur Endleiste. Der Flieger drehte sich blitzartig um den Draht, wobei die Flügelhälfte auf der Außenbahn und der Rumpf durch die Fliehkraft weggeschleudert wurden. Was nun? Flieger im Eimer, eine Flächenhälfte hing noch in der Leitung. Wie bekommt man die wieder herunter? Den Mast zu erklettern, kommt nicht in Frage. Es ging mir dabei weniger um das Servo, dass noch in der Fläche steckte. Irgendwie war es kein gutes Gefühl, dort wieder wegfahren zu müssen und eine wenig Balsa und Plaste in einer Schweizer Hochspannungsleitung zurück zu lassen. Schließlich warfen Eugen und ich mit Steinen nach dem Rest, in der Hoffnung, bei einem Treffer würde der Rest auseinander brechen. Eugen erzielte dann die gewünschte Wirkung.

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Im Draht
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Unter Strom
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Restmüll
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Rekonstruktion

Phase 2

Somit stand ein Neubau der Fläche auf dem Plan. Der Rumpf war unbeschädigt geblieben. Der Flächengrundriss wurde übernommen. Die Querruder laufen jetzt nicht mehr über die gesamte Spannweite, sondern vom Flächenende bis etwa die Hälfte. Als Profil wurde das CJ-3309 verwendet, dass gute Thermikeigenschaften auch bei etwas höherer Flächenbelastung verspricht. Dieser Flieger hat jetzt, außer dem Flächengrundriss, nichts mehr mit dem ursprünglichen Robbe-Geier gemein.

 

Außerdem wurde beim Bau sehr auf ein geringes Gewicht geachtet. Erreicht wurde das durch Materialauswahl und Verzicht auf Festigkeit. So konnten 200g Gewicht eingespart werden. Leider tauchte wieder das Schwerpunktproblem auf, jetzt aber mit umgekehrten Vorzeichen! Weil die Flächen viel leichter waren, bringen sie auch weniger Gewicht hinter den Schwerpunkt. Ergebnis: kopflastig. Verflixt! Um den Schwerpunkt halbwegs einstellen zu können, durfte nur ein kleiner 500er Akku verwendet werden, der, soweit es geht, nach hinten geschoben werden musste. Auch dann war es noch notwendig, hinten ein Stück Blei "aufzuschnallen". Damit war der Flieger zwar schön leicht, aber die Flugzeit ohne Thermikeinfluss war wieder recht bescheiden. Nach ein paar Flügen war klar: Es muss wieder ein neuer Rumpf her. Für die Übergangszeit wurde kurzerhand der Antrieb ausgebaut und eine Schleppkupplung eingebaut. Als reiner Segler ergab sich die tolle Flächenbelastung von 15 g/qdm. Das versprach, einen guten Thermiksegler abzugeben. Der erste Schleppflug war auch mein erster Schleppflug überhaupt (und auch der erste für den Schlepperpiloten). Der Schleppflieger zog den Nuri mit einem Affentempo durch die Luft. Flamenco reagierte giftig auf die kleinsten Steuerbefehle, so hatte ich Mühe, in der richtigen Position hinter der Schleppmaschine zu bleiben. Als er sich blitzartig auf den Rücken drehte, klinkte ich sicherheitshalber aus. Zum Glück passierte das schon in großer Höhe. Nach ein paar schwungvollen Schleifen hatte ich dann oben und unten aussortiert (und einiges der Höhe wieder verloren). Mein Adrenalinspiegel sank wieder auf normale Werte. Thermik war an diesem Tage nicht. Es stellte sich heraus, dass die Sinkgeschwindigkeit gut war. Die Fluggeschwindigkeit ist recht gering, was ja auch zu erwartet war. Es ergab sich trotz der geringen Flächenbelastung kein besonders guter Gleitwinkel. Bei bereits etwas Wind muss sehr vorausschauend geflogen werden, um den Landeplatz auch zu erreichen.

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Schleppversion

Leider habe ich nur relativ wenig Flüge auf diese Weise machen können. Man braucht ja immer eine Schleppmaschine und einen Piloten, der auch Lust zum Schleppen hat. Somit hatte ich schnell das Bedürfnis, wieder unabhängig starten zu können.

Phase 3

Planskizze

Inzwischen war es Ende 2000. Diesmal sollte es ein Dreiteiler werden, den man mal eben schnell zusammen stecken kann, aus wenig Einzelteilen besteht und kein Werkzeug zum Zusammensetzen braucht. Der Rumpf sollte groß genug sein, um große wie kleine Akkus zur Schwerpunkteinstellung gut hin und her schieben zu können.

Die Flächen wurden wiederverwendet. Statt der Winglets wurde ein Randbogen als Flächenabschluss angeschraubt. Ein Rückbau zur "Geier-Form" mit Schlepp-Rumpf ist damit jederzeit möglich. Bei der Form von Rumpf und Leitwerksflosse habe ich mich von den Brettentwürfen von Robert Schweissgut (Top-Fun, Cosmopolit, Flirt, Samson) inspirieren lassen. Die Fläche wurde leicht geschränkt (hingebügelt).

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Jetzige Version

Schon nach den ersten beiden Flügen war mir klar: Dies hier ist ein ganz anderes Flugzeug. Das schwammige Verhalten ist völlig verschwunden. Der Flieger reagiert direkt und neutral auf alle Steuerbefehle und lässt sich präzise steuern. Steigleistung, Gleitwinkel und Sinken sind gut. Höhenruder kann man, wenn man es ganz langsam macht, bis zum Anschlag durchziehen. Der Flieger geht dann in einen Sackflug über, ohne groß zu pumpen. Damit ist bei Landeanflügen kein Abkippen zu befürchten. Die Schränkung tut hier scheinbar ihre Wirkung. Zum ersten Mal bin ich mit dem Verhalten wirklich zufrieden. Zum Kurvenfliegen muss etwas gezogen werden, das ist bei fliegenden Brettern aber normal. Zieht man kräftiger, macht der Flieger fast auf der Stelle kehrt. Steilspiralen können ohne viel Höhenverlust geflogen werden. Dabei lässt es sich fast auf der Flügelspitze drehen. Kein Trudeln, kein Abreißen. Ich freue mich jetzt schon auf die wärmere Jahreszeit. Bin gespannt auf das Thermikverhalten.

Hier noch ein paar Bilder vom Fliegen am 1. April 2001.

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Technische Daten:

Spannweite:
Antrieb:
Akku:
Luftschraube:
Gewicht:

1550 mm
480er, 7.2 V, Getriebe 1:2,7
8 Zellen, 500 - 1600 mAh
11x8
ab 1000g

Ausblick

Da ich in zwischen wieder auf's "flache Land" gezogen bin, ist eine hohe Akkuzuladung wieder wichtig geworden, damit man möglichst lange oben bleiben kann und Zeit hat, den Ablösungen nachzuspüren. Demnächst werde ich die 3000er-NiMH-Zellen ausprobieren. Das bringt zwar satte 200g Mehrgewicht - wir werden sehen, ob der 480er es hochzieht.

Inzwischen habe ich so meine Bedenken wegen der doch recht leicht gebauten (und damit zerbrechlichen) Flächen. Steckung und Holm könnte schon ein paar Verstärkungen gebrauchen. Irgendwelche Kunstflugfiguren werde ich erst einmal bleiben lassen, obwohl das Handling dazu verleitet. Nächsten Herbst nehmen ich vielleicht die Bespannung herunter und baue für ein paar Gramm Verstärkungen ein. Wenn der Flieger es bis dahin überlebt........


Dirk Lübeck
April 2001